Am 4. März 2013 präsentierte Stadtentwicklungssenator Michael Müller im Rahmen einer Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung der interessierten Öffentlichkeit erstmals den – Vorentwurf zum – Stadtentwicklungsplan (StEP) Wohnen.
Unser Geschäftsführer Sebastian Jung hatte die Gelegenheit im Rahmen eines Pecha-Kucha-Vortrags für unser Netzwerk hierauf Stellung zu nehmen:
„Wohnen in Berlin“ – Veranstaltungsflyer der Friedrich-Ebert-Stiftung
Unsere Pecha-Kucha-Folien stehen Ihnen hier zur Verfügung:
Vortragsfolien
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Stellungnahme zum Stadtentwicklungsplan (StEP) Wohnen
Sehr geehrte Damen und Herren,
mein Name ist Sebastian Jung.
Im Namen von mieterstadt.de – Netzwerk für soziales Wohnen und bürgernahe Stadtentwicklung danke ich für die Einladung. Wir sind ein neuer gemeinnütziger Verein. Ein Schwerpunkt unserer Tätigkeit ist das Eintreten für einen bezahlbaren Sozialen Wohnungsbau im Bestand – im gemeinsamen Interesse von Mietern und Steuerzahlern.
Der Stadtentwicklungsplan Wohnen geht vom richtigen Leitbild aus. Berlin ist bunt. Hier leben Menschen unterschiedlichster ethnischer und sozialer Herkunft mit den verschiedensten Lebensentwürfen. Diese besondere Mischung zu erhalten und weiter zu entwickeln – das ist die richtige Vision für Berlin.
Welche konkreten Maßnahmen müssen hierzu ergriffen werden? Aufgrund des sich verknappenden Wohnraums und der stetig steigenden Mieten ist es grundsätzlich richtig, das Wohnungsangebot deutlich durch Neubau zu erweitern. Hierzu ist im Stadtentwicklungsplan Wohnen ein breit angelegtes Instrumentarium vorgesehen.
Allerdings heißt es auf Seite 13: „Bei freifinanzierten Kostenmieten von mindestens 8,50 bis 9 € je qm Wohnfläche und begrenzten finanziellen Ressourcen sind keine signifikanten Mengeneffekte im preisgünstigen Neubau zu erwarten.“ Mietpreisdämpfung und Quersubventionierung – all das reicht nicht aus, um die Nachfrage an preisgünstigem Wohnraum zu bedienen.
Dabei sagen immer mehr Menschen in Berlin, dass die Miete unbezahlbar hoch geworden ist und die eigene Verdrängung droht. Der Segregationsprozess beschleunigt sich deutlich. Zutreffend stellt der Stadtentwicklungsplan Wohnen stellt fest: Die soziale Mischung ist gefährdet.
Dem Bestand preisgünstigen Wohnraums kommt also die Schlüsselrolle zu. Mit seiner Sicherung steht und fällt die Mischung. Doch das Land hat nur einige wenige Möglichkeiten, um auf dem Wohnungsmarkt regulierend einzugreifen. Umso wichtiger ist es, dass die vorhandenen Möglichkeiten auch genutzt werden.
Wie sieht es mit dem Sozialen Wohnungsbau im Bestand aus? Hierzu schweigt der Stadtentwicklungsplan. Offensichtlich ein Tabu-Thema.
Das ist unverständlich. Dem Stadtentwicklungsplan Wohnen zufolge werden in allen Wohnungsmarktsegmenten zusammen bis zum Jahr 2025 insgesamt 137.000 neu zu bauende Wohnungen benötigt. Die Zahl, über die Berlin gegenwärtig an Sozialwohnungen verfügt ist etwa gleich groß. Also wahrlich keine unbedeutende Größe.
Was ist überhaupt ein Stadtentwicklungsplan? Hierzu heißt es in § 4 Berliner Ausführungsgesetz zum Baugesetzbuch: „Stadtentwicklungspläne sind Grundlagen für alle weiteren Planungen.“ Was bedeutet es also, dass der Soziale Wohnungsbau im Bestand für alle weiteren Planungen ganz offensichtlich keine Rolle spielt?
Müssen sich alle derzeit im Bestand des Sozialen Wohnungsbaus lebenden Menschen daran gewöhnen, dass die Politik keine Lösung für das Problem der explodierenden Mieten hat? Heißt es früher oder später für alle: Kofferpacken und ausziehen? Herr Senator Müller, bitte sagen Sie, woran die Menschen wirklich sind.
Im November veranstalteten die Mieterinitiativen Kotti & Co und sozialmieter.de unterstützt von der Mietenpolitischen Dossiergruppe in technischer Zusammenarbeit mit der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt im Abgeordnetenhaus eine gut besuchte Konferenz zum Sozialen Wohnungsbau im Bestand.
Das Motto der Veranstaltung lautete: Nichts läuft hier richtig. In vier Arbeitsgruppen wurde eine Fülle von Maßnahmen – eine „Roadmap“ – erarbeitet, um das Problem der explodierenden Sozialmieten entschieden anzugehen. Vor diesem Hintergrund schlägt das Netzwerk für soziales Wohnen und bürgernahe Stadtentwicklung vor:
Der Stadtentwicklungsplan Wohnen wird unter Hinzufügung einer weiteren, einer siebten Leitlinie zum Stadtentwicklungsplan Wohnen PLUS erweitert. Diese lautet: Berlin sichert den Sozialen Wohnungsbau im Bestand. Hierzu werden innovative, nachhaltige Modellprojekte entwickelt (z.B. Kommunalisierungsmodelle).
Bis dauerhaft tragfähige Lösungen erarbeitet worden sind wird folgende Überbrückungsmaßnahme realisiert: Es wird ein Mieterhöhungsmoratorium ausgesprochen und die an Berlin zurückzuzahlenden Aufwendungsdarlehen zunächst gestundet und dann gestreckt werden.
Die Sozialmieten werden auf ein sozialverträgliches Maß begrenzt. Die für ALG II-Bezieher geltende Berliner Verwaltungsvorschrift wird geändert: Die Höhe der bewilligungsfähigen Kosten der Unterkunft (KdU) wird an die Höhe der Sozialmiete gekoppelt. Vielleicht meinen Sie: Soviel Geld hat Berlin nicht? Dazu sagen wir:
Um die Finanzierungsfrage überhaupt stellen zu können, muss zunächst geklärt werden, wie viel Geld für die Sicherung des Sozialen Wohnungsbaus im Bestand tatsächlich benötigt wird. Das ist nämlich alles andere als klar. Beispielsweise verliert Berlin an findige Geschäftsleute teure Belegungsrechte – und das ohne jede Gegenleistung.
Doch das kann gestoppt werden: § 5 Wohnraumgesetz Berlin wird außer Kraft gesetzt. Die beim Verkauf der Sozialwohnungen häufig eintretenden drastischen Mietsteigerungen werden dennoch verhindert: Hierzu wird lediglich unzweideutig klargestellt, dass der Vermieter nur die Kosten abrechnen darf, die er auch tatsächlich zu tragen hat.
Es darf allerdings bezweifelt werden, dass das Verschenken von Belegungsrechten ein Ende haben wird: Das Wohnraumgesetz Berlin wurde im vorletzten Jahr unter Mithilfe der Anwaltssozietät Freshfields Bruckhaus Deringer entworfen. Nun steht eine Evaluierung an und es ist dieselbe Sozietät, die mit der Untersuchung der Auswirkungen dieses Gesetzes beauftragt wurde.
Berlin muss endlich von seiner Gesetzgebungskompetenz Gebrauch machen, die es seit der Föderalismusreform im Jahr 2006 innehat. Zunächst muss von unabhängigen Experten ausgelotet werden, wie groß der Spielraum ist, das Problem der explodierenden Sozialmieten bereits durch eine Veränderung der rechtlichen Rahmenbedingungen einzudämmen. Dies geschieht am besten im Rahmen einer Enquête-Kommision zum Sozialen Wohnungsbau im Bestand. Erst in einem zweiten Schritt stellt sich dann die Finanzierungsfrage und was uns die einzigartige Berliner Mischung wirklich wert ist. Vielen Dank.
Vortragsmanuskript
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