Zur Sicherung der 137.000 bestehenden Berliner Sozialwohnungen
Berlin verfügt derzeit über etwa 137.000 Sozialwohnungen.
Um eine Vorstellung davon zu bekommen, wie viele Wohnungen das sind: Dem Stadtentwicklungsplan Wohnen zufolge werden in Berlin in den nächsten zehn Jahren in allen Wohnungsmarktsegmenten zusammen insgesamt 137.000 neue Wohnungen benötigt. Das Problem der zu hohen Mieten im Sozialen Wohnungsbau betrifft damit – grob geschätzt – etwa 275.000 Mieterinnen und Mieter. Das sind so viele Menschen, wie im gesamten Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg leben.
Wie geht der Senat mit dem Problem der Mietenexplosion im Sozialen Wohnungsbau um? Welche Konzepte hat er hiergegen? Um es kurz zu machen: Gar keine. Die 137.000 bestehenden Sozialwohnungen kommen im Planungsteil des vor kurzem vom Senat beschlossenen Stadtentwicklungsplans Wohnen nicht einmal vor. Die Zukunft dieser Wohnungen und ihrer etwa 275.000 Bewohnerinnen und Bewohner scheint abgeschrieben zu sein.
Neubau allein kann das Problem der unbezahlbar teuren Mieten nicht lösen. Es ist viel zu teuer, sämtliche bestehenden Sozialwohnungen durch neu zu bauende Wohnungen zu ersetzen. Außerdem würde das auch viel zu lange dauern. Dem Senat zufolge sollen in Berlin pro Jahr ca. 1.000 neue Sozialwohnungen entstehen. Das heißt: Es würde 137 Jahre dauern, bis alle Sozialwohnungen durch Neubauten ersetzt sind. Diese Zeit hat Berlin nicht.
Worin liegt das Kernproblem des Sozialen Wohnungsbaus? Ohne auf Einzelheiten eingehen zu wollen: Die staatliche Kontrolle beim Zustandekommen der Kostenmieten hat auf der ganzen Linie versagt. Die Folge hiervon ist: In Berlin – und nur in Berlin – belaufen sich die Kostenmieten auf absurde Beträge von bis zu 21 €/qm kalt.
Doch die mangelnde Kontrolle von damals kann heute nachgeholt werden. Hierzu muss Berlin ein Korrekturgesetz schaffen. Seit 2006 hat das Land auf dem Gebiet des Sozialen Wohnungsbaus die alleinige Gesetzgebungskompetenz inne. Somit kann heute alles korrigiert werden, was Jahrzehnte lang schief gelaufen ist.
Dies setzt allerdings eins voraus: Die Politik muss den Mut dazu aufbringen, zu den begangenen Fehlern zu stehen und hieraus lernen zu wollen. Hierzu ist sie bislang nicht bereit. Aber das muss sich jetzt endlich ändern. Eins ist jedenfalls klar: Man kann das Mietenproblem Berlins nicht dadurch lösen, die Augen vor den Altlasten der städtischen Wohnungspolitik zu verschließen und alles auf den Bau von ein paar neuen Sozialwohnungen setzen.
Abgeordnetenhaus und Senat drehen sich im Kreis: 2011 wurde ein Landesgesetz zum Sozialen Wohnungsbau – das Wohnraumgesetz Berlin – verabschiedet. 2013 wurden die Auswirkungen dieses Gesetzes überprüft. Und wieder hat die Kontrolle versagt: Mit der Überprüfung wurde dieselbe Rechtsanwaltskanzlei – Freshfields Bruckhaus Deringer – beauftragt, die zuvor schon bei der Ausarbeitung des Gesetzentwurfs zu Rate gezogen wurde.
Senat und Abgeordnetenhaus müssen endlich unabhängigen, externen Sachverstand aus Bevölkerung und Wissenschaft zulassen.
Mit dem zu schaffenden Korrekturgesetz muss der bestehende Soziale Wohnungsbau Berlins rechtlich neu ausgerichtet werden. Hierzu sollte das Abgeordnetenhaus eine unabhängige Enquête-Kommission einrichten und hieran auch die Bürgerinnen und Bürger beteiligen.
Die Untätigkeit der Politik wird manchmal damit zu rechtfertigen versucht, dass die bestehenden Sozialwohnungen angeblich nicht mehr zu retten seien. Die hierfür erforderlichen Aufwendungen seien zu ineffizient.
Das ist nicht überzeugend. Bis heute wurde nicht einmal im Ansatz ausgelotet, wie groß der Spielraum ist, das Problem der explodierenden Mieten im Sozialen Wohnungsbau bereits durch eine Veränderung der rechtlichen Rahmenbedingungen einzudämmen. Erst wenn dies von unabhängigen Experten geklärt ist, stellt sich in einem zweiten Schritt die Frage nach der Finanzierung der Sozialwohnungen.
Zu allererst und schnellstmöglich muss jedoch eine stadtentwicklungs- und finanzpolitisch irrsinnige Berliner Vorschrift ausgesetzt werden. Diese besagt, dass die Preisbindungs- und Belegungsrechte für 28.000 bereits bezahlte Sozialwohnungen ohne Gegenleistung verschenkt werden.
Gleichzeitig will Berlin jetzt neue Preisbindungs- und Belegungsrechte für neue Sozialwohnungen kaufen.
Das erinnert an jemanden, der mühsam vorne etwas aufbaut und gleichzeitig hinten ein Vielfaches davon wieder einreißt. Diesen Schildbürgerstreich sollte das Abgeordnetenhaus schnellstmöglich – am besten schon auf der Plenumssitzung am Donnerstag – beenden. Hierzu muss lediglich § 5 Wohnraumgesetz Berlin ausgesetzt werden.
Das Netzwerk mieterstadt.de empfiehlt zur Sicherung der 137.000 bestehenden Berliner Sozialwohnungen die Umsetzung eines Vier-Punkte-Plans.
Detaillierte Hintergrundinformationen und auch ein Interview zum Thema mit Herrn Prof. Dr. Martin Schwab, Professor für Bürgerliches Recht, Verfahrens- und Insolvenzrecht an der Freien Universität Berlin kann der Broschüre „Nichts läuft hier richtig. Informationen zum Sozialen Wohnungsbau in Berlin“ entnommen werden. Diese Broschüre wurde gemeinsam von Kotti & Co. und dem berliner bündnis sozialmieter.de herausgegebenen und von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt finanziert.
Vier-Punkte-Plan
zur Sicherung der 137.000
bestehenden Berliner Sozialwohnungen
- Das Abgeordnetenhaus setzt umgehend die Vorschrift des § 5 Wohnraumgesetz Berlin aus. Hierdurch werden die Preisbindungs- und Belegungsrechte des Landes für 28.000 bereits bezahlte Sozialwohnungen gesichert. Kosten hierfür: Keine.
- Der Senat nimmt in den Planungsteil seines Stadtentwicklungsplans Wohnen (StEP Wohnen) die 137.000 bestehenden Sozialwohnungen auf und bekennt sich damit zur Notwendigkeit deren Rettung. Kosten hierfür: Keine.
- Das Abgeordnetenhaus setzt eine Enquête-Kommission zur rechtlichen Neuausrichtung des bestehenden Sozialen Wohnungsbaus ein. Hierbei ist die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger sicherzustellen.
- Das Abgeordnetenhaus erlässt ein Berliner Korrekturgesetz zum bestehenden Sozialen Wohnungsbau. Hierdurch werden die wegen mangelnder Kontrolle überhöht zustande gekommen Kostenmieten auf das tatsächlich erforderliche Maß reduziert.