„Hallo, ich heiße Ulf Glandien und spreche für das Netzwerk mieterstadt.de. Wir sind ein gemeinnütziger Verein, der auch für den Erhalt von bezahlbaren Wohnungen eintritt.
Herzlichen Dank, dass Ihr mit Eurer Aktion heute ein klares Zeichen setzt gegen die krasse Abzocke mit den Sozialwohnungen hier am Maybachufer und in der Manitiusstraße.
Ihr seid zwar nicht die ersten Mieterinnen und Mieter, die durch Phantasiekosten im Sozialen Wohnungsbau ihre Wohnungen verlieren sollen, aber Ihr seid vielleicht die ersten, bei denen sich der Eigentümer verkalkuliert hat.
Phantasiekosten oder fiktive Kosten: Was soll das sein? Die Geschichte des Sozialen Wohnungsbaus in Berlin ist eine lange und schmutzige Geschichte. Hier nur soviel:
Um günstige Mieten zu erreichen, wurde Eurer Vermieter mit allen erdenklichen Fördermitteln subventioniert. Als 1995 die 15-jährige Grundförderung auslief, wurde dem Vermieter die sogenannte Anschlussförderung bewilligt. Im Gegenzug musste er sich dazu verpflichten, von Euch keine Zinsen auf vollständig zurückgezahlte Bankdarlehen mehr zu verlangen.
Als er dann 2007 trotz der Subventionen in finanzielle Turbulenzen geriet, wurde der Vermieter von Berlin gerettet: Im Rahmen einer mit der IBB geschlossenen Sanierungsvereinbarung wurde ihm das millionenschwere sogenannte Aufwendungsdarlehen erlassen. Weil die IBB entsprechende Gegenmaßnahmen versäumte, verkürzte sich die Sozialbindung um etwa 20 Jahre. Schon am Ende dieses Jahres werden Eure Wohnungen deshalb in das Mietspiegelsystem entlassen.
Der Vermieter versucht nun noch, die letzte Möglichkeit zu nutzen, die ihm die verrückte Berechnungsmethode der Sozialmieten in Berlin bietet, um mit Mieten oberhalb des Mietspiegels in den freien Markt zu starten. Das hat für ihn z.B. den Vorteil, dass die Mietpreisbremse bei Neuvermietungen nicht greift. Durch die von der IBB verschuldete Bindungsverkürzung ermuntert, meint der Vermieter nun: Warum nicht nehmen, nehmen und nochmals nehmen? Wenn ich das Aufwendungsdarlehen schon geschenkt bekomme und sich dadurch auch die Bindungen verkürzen – Warum sollte dann noch der Verzicht von 1995 gelten, nachdem der Eigentümer sich verpflichtete, keine Zinsen auf Bankdarlehen zu verlangen, die nicht mehr existieren?
Mieterstadt.de kämpft mittlerweile seit 5 Jahren dafür, dass sowohl im Interesse von Mietern als auch von Steuerzahlern keine Kosten mehr abgerechnet werden, die beim Vermieter der Sozialwohnungen zu jährlichen Renditen von 20% und mehr führen. Aber wir haben einen harten Gegner. Der sitzt in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Abteilung IV, und hält die Fäden in der Hand, egal wer gerade regiert. Bereits im Jahr 2010 verloren Mieterinnen und Mieter ihre Wohnungen, weil sie nicht für Kosten bezahlen konnten, die dem Vermieter gar nicht entstehen. Statt das Problem an der Wurzel zu packen und dafür zu sorgen, dass die Sozialmieter nur das bezahlen, was an Kosten tatsächlich anfällt, wurde auf Initiative der Senatsverwaltung und gegen den Widerstand von Wissenschaftlern, von Mieterverein und von Mieterinis, das Berliner Wohnraumgesetz beschlossen. Statt zu verhindern, dass mit dem Sozialen Wohnungsbau Renditen erwirtschaftet werden, die mit normalen Wohnungen nicht zu erzielen sind, ist man dem Prinzip gefolgt: Wo keine Sozialwohnung, da auch kein Problem damit. Um das zu erreichen, verschenkte Berlin tausende von wertvollen Sozialbindungen, die teilweise noch bis 2050 gegolten hätten.
Die Regelung, die die teuren Sozialbindungen ohne Gegenleistung von heute auf morgen preisgab, wurde nach jahrelangem Kampf endlich in diesem Sommer gestoppt, als das Wohnraumgesetz geändert wurde. Doch bis das geschah, gingen tausende Sozialwohnungen verloren, während Berlin gleichzeitig mit dem Neubau von bezahlbarem Wohnraum nur schleppend vorankommt.
Aber noch immer kann sich die Politik nicht dazu durchringen, sicherzustellen, dass weder Mieter noch Steuerzahler Kredite bedienen müssen, die längst abgezahlt sind und zu Entschuldungsgewinnen bei den Eigentümern führen.
Doch: Wie kann Euch jetzt geholfen werden? Und wie kann verhindert werden, dass wegen fiktiver Kostenansätze überhöhte Mieten das Mietspiegelsystem erreichen und auch dort noch zum Mietpreistreiber werden?
Das Wohnungsbindungsgesetz sieht vor, dass der Senat eine Rechtsverordnung erlassen darf, die Entschuldungsgewinne verbietet. Jetzt ist die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung gefragt: Denn in der Silversternacht 2017/2018 endet die Möglichkeit für Berlin, korrigierend einzugreifen. Das Gesetzesvorhaben für den Sozialen Wohnungsbau, von dem hier und da die Rede ist, kommt für Euch jedenfalls zu spät und ist zudem auch inhaltlich umstritten.
Ob der Abzockversuch Eures Vermieters von den Gerichten gestoppt wird, steht nicht fest. Denn die IBB hätte als zuständige Stelle auch die Interessen von Euch Mietern im Blick haben müssen, als sie mit dem Vermieter 2007 die Sanierungsvereinbarung abschlossen hat: Ohne weiteres hätte die IBB hier explizit klarstellen können, dass Euer Vermieter weiterhin auf zurückgezahlte Bankdarlehen keine Zinsen erheben darf. Warum wurde auch das versäumt? Warum beruft sich die IBB als Aufsichtsstelle auf das Bankgeheimnis und lässt Euch nicht in die Sanierungsvereinbarung schauen? Ist für die IBB Euer Vermieter als Bankkunde schützenswerter als ihr, die die IBB als Aufsichtsstelle schützen soll?
Alle diese Fragen können jetzt nicht geklärt werden. Jetzt ist Frau Senatorin Lompscher am Zug. Sie hat noch 43 Tage Zeit, um die Versäumnisse der IBB rechtssicher zu korrigieren. Frau Lompscher, erlassen Sie endlich eine Rechtsverordnung, mit der die Allgemeinheit vor Heuschrecken im Berliner Sozialen Wohnungsbau geschützt wird!“